Streiflichter zur Mediation als alternatives Konfliktlösungsmodell im Allgemeinen, zur Ausbildung im Besonderen und weitere Nebensächlichkeiten

Dienstag, September 26, 2006

Verstrickung in der Verhandlung

Wann liegt eine Verstrickungssituation vor und wie reagiert der Mediator, wenn er erkennt, dass sich eine Partei in einer solchen Situation befindet?

Quelle: frager auf pixelquelle.de

Eine Verstrickungssituation liegt dann vor, wenn eine Verhandlungspartei aufgrund der bereits erreichten Verhandlungssituation und angesichts der aufgebrachten Aufwendungen keinen Verhandlungsabbruch riskieren will und statt dessen um der Vermeidung eines ergebnislosen Verhandlungsabbruchs willen weiter investiert (Too much invested to quit).

Konkret kann eine Verstrickungssituation dann vorliegen, wenn ein Verhandlungspartner über die von ihm zuvor festgelegte Beste Alternative (BATNA) hinaus weiterverhandelt in der Annahme, nur dadurch den bereits erreichten Verfahrensstand retten zu können. Der Verhandlungspartner sieht sich hier gefangen zwischen den beiden Positionen Investition und Kosten. Wenn diese beiden Positionen nicht präzise bewertet und gegeneinander abgewogen werden, kann sich die Verhandlungspartei schnell in einer Verstrickungssituation verlieren. Gleiches kann auch passieren, wenn die in Aussicht stehende Investition an der Gesamtsumme der bereits erbrachten Aufwendungen gemessen wird.

Der Mediator hat mehrere Möglichkeiten zu reagieren, wenn er erkennt, dass sich eine Partei in einer solchen Verstrickungssituation befindet. Er kann zum einen die Verstrickungsgefahr identifizieren und zum anderen die Kostensituation für beide Parteien analysieren.

Verstrickungsgefahr identifizieren: Wenn der Mediator erkennt, dass sich eine Partei zu irrationalem Verhalten verleiten lässt, weil er bereits im Rahmen der Verhandlung über einen bestimmten Sachverhalt gewisse Investitionen geleistet hat, kann der Mediator auf die positive Bestimmung des Entscheidungsrahmens hinwirken. Der Mediator kann als neutraler Dritter darauf hinweisen, dass die Verhandlungspartei weniger den drohenden Verlust der bereits erbrachten Aufwendungen als vielmehr die Möglichkeit des Schutzes vor weiteren vergeblichen Aufwendungen im Blick haben sollte. Es geht also darum, bei der Verhandlungspartei einen Perspektivwechsel herbei zu führen und durch eine positive Formulierung des Sachverhaltes diese aus der Verstrickungssituation herauszuführen. Zum Teil wird geraten, das Gespräch als Mediator auf die BATNA zu lenken, um der verstrickten Partei Alternativen und Grenzen ihres Handelns zu Bewusstsein zu bringen. Allerdings ist dabei zu beachten, dass der Mediator der Neutralität und Allparteilichkeit verpflichtet ist und Manipulationen damit nicht vereinbar sind.

Analyse der Kostensituation: Eine andere Möglichkeit, der Verhandlungspartei aus der Verstrickungssituation herauszuhelfen, ist der Hinweis auf eine Analyse der Kostensituation. Oftmals fehlt den Verhandlungsparteien einfach der notwendige Abstand zu dem zu verhandelnden Sachverhalt, um eine objektive Bewertung des erreichten Verhandlungsstandes zu gewährleisten. Mithilfe des Mediators kann die Kostensituation durch einen Vergleich zwischen der ausstehenden Investition mit der Gesamtsumme der bisher geleisteten und der zu erwartenden Aufwendungen gezogen werden. Eine Verstrickungssituation entsteht häufig dann, wenn die Verhandlungspartei zur Bestimmung der Kostensituation einen Vergleich nur zwischen der ausstehenden Investition und den bereits getätigten Aufwendungen anstellt. Dies ist bedingt durch die subjektive Betrachtungsweise der Verhandlungsposition. Erforderlich zum Ausbrechen aus der Verstrickungssituation ist aber die Berücksichtigung der Gesamtsumme der bereits geleisteten und der zu erwartenden Aufwendungen. Nur dann kann die Verhandlungspartei realistisch entscheiden, ob eine Weiterführung der Verhandlung auf dieser Grundlage für sie richtig ist.

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