Streiflichter zur Mediation als alternatives Konfliktlösungsmodell im Allgemeinen, zur Ausbildung im Besonderen und weitere Nebensächlichkeiten

Mittwoch, November 15, 2006

Gerichtsnahe Mediation mit Anwaltsmediatoren in Köln

Wie der Ausschuss für Mediation und Konfliktmanagement des Kölner Anwaltsvereins mitteilt, startet in Köln ein Projekt der gerichtsnahen Mediation. Auf die positiven Erfahrungen mit der gerichtsnahen Mediation am LG Göttingen aufbauend wird in Köln das vielversprechende Projekt mit Anwaltsmediatoren umgesetzt.

Dazu die Mitteilung des Ausschusses (aus den Mitteilungen des Kölner Anwalt Verein e.V. November 2006):

"Die Zahl der Gerichtsverfahren steigt, doch Richterstellen fallen weg. Die Richter sind zunehmendem
Zeitdruck und steigender Arbeitsbelastung ausgesetzt. Die Bürger und ihre Parteivertreter müssen
immer längere Fristen bis zur Anberaumung einer mündlichen Verhandlung und zwischen den Ver-
handlungen in Kauf nehmen. Die Justizministerien tragen dieser Entwicklung u. a. dadurch Rechnung, daß sie Richter zu Mediatoren ausbilden lassen und Mediationen für laufende Gerichtsverfahren anbieten.
Modellprojekte gerichtsnahe Mediation werden bereits bundesweit durchgeführt, vor allem an Zivilge-
richten aber auch an Verwaltungs- und Arbeitsgerichten. Soweit diese Modellprojekte ausgewertet wurden, sind die Erfahrungen mit gerichtsnaher Mediation gut. Bei dem Landgericht in Göttingen etwa wurden in 2004 900 Verfahren in die Mediation verwiesen. Etwa 90% davon führten zu einer Erledigung der Gerichtsverfahren durch Parteivereinbarungen. Damit verbunden war nicht nur ein hohes Maß an Zufriedenheit der Parteien und ihrer Anwälte mit dem Verfahren und dessen Ergebnis, sondern auch eine erhebliche Entlastung der Kammern.
Auf diesem Hintergrund hat sich die Justizministerkonferenz (29./30.6.2005) ausdrücklich für die Förderung gerichtsnaher Mediation als einem entscheidendem Instrument zur Entlastung der Justiz ausgesprochen. In den bereits praktizierten Modellprojekten gerichtsnaher Mediation sind Richter als Mediatoren tätig. Dieser Trend wird sich fortsetzen und nicht ohne Auswirkungen auf die Anwaltschaft bleiben, die gerade im Begriff ist, sich die Mediation als Tätigkeitsfeld zu erschließen. Der Personalabbau bei den Zivilgerichten in Köln läßt nicht zu, daß Richter als Mediatoren ausgebildet und mit der Durchführung gerichtsnaher Mediation beauftragt werden. Um dennoch auch für die Ziviljustiz in Köln Parteien und ihren Anwälten sowie Richtern gerichtsnahe Mediation zur Verfügung zu stellen, haben die Vorstände des KAV und der RAK Köln - abgestimmt mit
den Präsidenten des Landgerichts und des Amtsgerichts Köln - zusammen mit dem Ausschuß für
Mediation und Konfliktmanagement ein Konzept gerichtsnaher Mediation durch Mediatorinnen und
Mediatoren aus der Anwaltschaft entwickelt. Das Konzept sieht dieselben Abläufe vor wie sie in den bereits praktizierten Modellprojekten gerichtsinterner Mediation vorzufinden sind. Es unterscheidet sich davon nur insoweit, als die Mediatoren nicht Richter sondern Anwälte sind.

Vorgesehen sind folgende Abläufe:
  • Die zuständigen Richter schlagen, wenn sie dies für angebracht halten, den Parteivertretern vor, das anhängige Verfahren gemäß § 278 Abs. 5 Satz 2, § 251 ZPO auszusetzen und eine Mediation durchzuführen.
  • Gleichzeitig schlagen sie die Mediatoren vor.
  • Sind die Parteien und ihre Anwälte mit den Vorschlägen des Richters einverstanden, wird das anhängige Gerichtsverfahren zum Ruhen gebracht.
  • Die Mediatoren stimmen die Mediationstermine, die zügig durchgeführt werden, mit den Parteien und ihren Vertretern ab.
  • Die Parteivertreter nehmen an den Mediationssitzungen teil (und verdienen neben der Verfahrensgebühr die Terminsgebühr und im Falle einer Einigung die Einigungsgebühr).
  • Gelangen die Beteiligten im Mediationsverfahren zu einer Vereinbarung, wird diese entweder im rechtshängigen Verfahren protokolliert oder auf schriftlichem Wege gemäß § 278 Abs. 6 ZPO oder auch als Anwaltsvergleich abgeschlossen.
  • Die Mediation findet nur statt, wenn alle Parteien und Parteivertreter damit einverstanden sind.
  • Sie kann jederzeit abgebrochen, das ruhende Verfahren kann jederzeit wieder aufgenommen werden.
  • Die als Mediatoren an dem Projekt teilnehmenden Rechtsanwälte werden verpflichtet, eine schriftliche Erklärung dahingehend abzugeben, daß sie von den Parteien des Mediationsverfahrens keine Mandate - auch nicht in zukünftigen anderen Fällen - annehmen werden.

Um einen möglichst hohen Qualitätsstandard bieten zu können, wird die Mediation im Rahmen des Projektes durch ein Team von jeweils 2 Anwaltsmediatoren durchgeführt. Die Teams werden von dem Ausschuß für Mediation und Konfliktmanagement empfohlen. Dabei wird darauf geachtet, daß Kompetenzen und Erfahrungen auf dem jeweiligen Rechtsgebiet gewährleistet sind und daß eine möglichst breite Streuung erfolgt. Die Zusammenstellung der Mediatorenteams wird aus Gründen der Transparenz dokumentiert.

Um zu testen, ob die gerichtsnahe Mediation durch Rechtsanwälte als Alternative zur gerichtsnahen Mediation durch Richter akzeptiert wird, wird die gerichtsnahe Mediation durch Anwälte während des Laufs der Projektphase für die Parteien zu den gleichen finanziellen Bedingungen wie bei der Mediation durch Richter angeboten. Zu diesem Zweck haben die Vorstände des KAV und der RAK Köln sowie die Hans-Soldan-Stiftung Mittel für einen Fonds zur Verfügung gestellt, aus dem die Mediatoren honoriert werden. Das Honorar für die Mediatoren beträgt 75,00 € plus Mehrwertsteuer pro Sunde. Der KAV und die Rechtsanwaltskammer Köln möchten mit ihrem Angebot den Bürgern, Richtern und Anwälten die Chance bieten, trotz restriktiver Personalausstattung der Gerichte zu einer einfachen und raschen Erledigung der mediationsgeeigneten Verfahren zu kommen und gleichzeitig so auch Ressourcen für die Erledigung der Verfahren, die nicht in die Mediation verwiesen werden, freizusetzen.

Sie setzen dabei auf die Kooperation zwischen den Parteivertretern und den Mediatoren. Die Erfahrung mit der gerichtsnahen Mediation zeigt, daß der Erfolg der gerichtsnahen Mediation von der Qualität der Mediatoren aber auch von der Mitwirkung der Parteivertreter abhängt, die durchweg entscheidende Beiträge zur Gestaltung der die Mediation abschließenden Vereinbarungen leisten.

Es hat sich weiterhin herausgestellt, daß Fälle, die sich über Jahre dahinschleppen und von den Verfahrensbeteiligten für kaum noch lösbar gehalten werden, oft zu einem raschen Abschluß gebracht werden können, wenn in der Mediation auch Fragen zur Beziehung der Parteien strukturiert besprochen werden können. Das Projekt bietet den Parteien die Chance, Nerven und Kosten zu sparen und zu einer dauerhaften Lösung ihres Konfliktes zu gelangen. Den Parteivertretern bietet es die Chance, den Arbeitsaufwand bei gleichem Honoraraufkommen zu verringern und von zufriedenen Mandanten weiterempfohlen zu werden. Der Anwaltschaft bietet das Projekt die Chance, sich das Tätigkeitsfeld Mediation weiter zu erschließen.

Alle Kolleginnen und Kollegen, die eine Mediationsausbildung (Umfang mindestens 90 Stunden) absolviert haben, und die die vorstehend umrissenen Bedingungen des Projektes akzeptieren, werden gebeten, der Geschäftsstelle des KAV mitzuteilen, ob sie auf die Liste der an dem Projekt mitwirkenden Mediatoren gesetzt werden möchten. Es werden dafür folgende Angaben benötigt:

Anschrift, Telefon/Faxnummer, E-Mail-Adresse, Alter, Angaben zur Ausbildung, zu den Arbeitsgebieten und zu dem Zeitpunkt des Beginns der Mediatorentätigkeit.

Die Meldungen zu der Mediatorenliste werden per Mail erbeten an die Geschäftsstelle des KAV unter info (a) koelner.anwaltverein.de oder an die Geschäftsstelle der RAK Köln unter kontakt (a) rak-koeln.de spätestens bis zum 20.11.2006.

Der KAV und die RAK Köln sowie der Ausschuß für Mediation und Konfliktmanagement des KAV laden ein zu einer
Informationsveranstaltung für die Mediatoren am

Mittwoch, 22. November 2006, 18.00 Uhr,
in die Rechtsanwaltskammer Köln, Riehler Straße 30, 50668 Köln.

Am 31.01.2007, 15.00 Uhr, wird eine Informationsveranstaltung für Richter und Anwälte stattfinden.

Eine Initiative, die sehr zu begrüßen ist. Gerichtsnahe Mediation durch unabhängige Anwaltsmediatoren ist m.E. grundsätzlich einer richterlichen Mediation vorzuziehen. Die Erfahrungen der gerichtsinternen Mediationen haben gezeigt, dass die angestrebte Entlastung der Justiz durch Verfahrensverkürzung nicht immer erreicht werden konnten. Die eingesetzten Richtermediatoren hatten mindestens den gleichen Zeitaufwand in dem Mediationsverfahren wie in der mündlichen Verhandlung.

Nachdenklich stimmt zunächst die Bedingung, die Durchführung des Mediationsverfahrens von dem Einverständnis der Parteivertreter abhängig zu machen. In erster Linie kommt es auf das Einverständnis der Parteien an. Der Anwalt ist gem. § 1 Abs. 3 BORA den Interessen des Mandanten verpflichtet. Diesen hat er vor Rechtsverlusten zu schützen, rechtsgestaltend, konfliktvermeidend und streitschlichtend zu begleiten. In der Anlage zu den Berufsregeln der Rechtsanwälte der Europäischen Union ist diese Pflicht in Nr. 2.7. näher beschrieben: "Vorbehaltlich der gesetzlichen und berufsrechtlichen Vorschriften ist der Rechtsanwalt verpflichtet, seinen Mandanten in solcher Weise zu vertreten und/oder zu verteidigen, dass das Mandanteninteresse dem Interesse des Rechtsanwaltes, eines Kollegen oder der Kollegenschaft insgesamt vorgeht." Es ist aber sicherlich richtig, dass bei der Ankündigung des Projekts der gerichtsnahen Mediation auf die Befindlichkeit der Parteivertreter eingegangen werden muss, um möglichen Vorbehalten gegenüber der Mediation bereits im Vorfeld zu begegnen. Interessanterweise sind für das Projekt ausschließlich Co-Mediationen vorgesehen, während bei den Richtermediationen ein Mediator im Verfahren genügte. Hier öffnet sich sicherlich auch ein Feld für Mediatoren, die noch nach Mediationspraxis unter Begleitung durch einen erfahrenen Kollegen suchen.

Es bleibt zu wünschen, dass die gerichtsnahe Mediation durch Anwaltsnotare von den Parteien und auch von den Parteivertretern gut angenommen wird. Schon jetzt steht zu erwarten, dass durch diese Initiative die Verfahrensalternative Mediation bekannter werden wird.

Labels: